Social Gambia

Können x Engagement = Einkommen

Viele junge Menschen in Gambia, meist junge Männer, haben keine Arbeit. So sitzen sie im Schatten eines Baumes, trinken Ataya (grüner gezuckerter Tee) und hoffen, dass von irgendwo her ein Geldregen kommt. Oft aber fehlt es an Fähigkeiten, an Können und damit an Möglichkeiten, etwas zu tun. Doch Geld folgt immer dem was wir tun. "Money follows Action" und nicht umgekehrt.

Es gibt sie aber auch. Jene, die mit einfachsten Mitteln etwas schaffen, von dem wir hier in Europa nur träumen können. Jene, die ihr Können mit Engagement einbringen und überhaupt keine Notwendigkeit sehen. ihre Chancen in Europa zu suchen.

Das folgende Beispiel mag dies veranschaulichen:

Ich war auf einer Reise zu unseren Schulen im Landesinneren. Bei einem Stop in einem kleinen Dorf, abseits der Hauptverkehrsstraße, bemerkte ich, dass der Ventilator, der unser Fahrzeug abkühlen sollte, permanent lief. Ich stoppte. Er lief weiter. Wie bekomme ich den Ventilator angehalten? Denn irgendwann ist meine Batterie am Ende. Ich suchte die richtige Sicherung, nahm sie raus. Er lief weiter. Dann klemmte ich die Batterie ab. Das funktionierte. Schloss ich die Batterie wieder an, lief der Ventilator auch wieder. Das Fahrzeug zu starten ging auch nicht, denn die Last auf der Batterie war wohl zu groß.

Ich rief Baboucarr im etwa 80km entfernten Sukuta Camping an. Er wollte einen Elektriker schicken. Doch das würde dauern und unser sehr eng getaktes Programm wäre komplett in sich zusammen gebrochen. Am nächsten Tag nämlich wollten wir, Ousman Badjie unser Koordinator und ich, in die Casamance, in den Senegal zur Schule in Marsassoum fahren.

Schon bald versammelten sich um das Fahrzeug sieben Personen (Männer) und diskutierten. Es kam die Idee auf, in Sibanor einen Elektriker zu suchen. Doch der war nicht da. Dessen Leute sagten, dass es auch einen im 20 km entfernten Bwiam gibt. Um unseren Termin an der Grundschule in Tamba Kunda einzuhalten, organisierten wir zwei Motorräder, die uns über die Sandpiste dorthin brachten. Den Besuch an der Sky Nursery ließen wir aus Prioritätsgründen ausfallen.

Ein anderer fuhr mit seinem Motorrad nach Bwiam, um den Elektriker zu finden. Unser Fahrzeug ließen wir im Busch stehen.

Knapp zwei Stunden später waren wir mit den Bikes wieder zurück.

Ein junger Mann aus Bwiam, er stellte sich als Alaghie Jobe vor, lag bereits unter dem Armaturenbrett. Alle Stecker und Kabel hingen draußen. Der Schalter, der den Ventilator steuert habe MASS bekommen und er will prüfen, ob die Steuerungseinheit, in der alle Kabel steckten, einen Schlag wegbekommen habe. Dazu müsse er aber wieder zurück nach Bwiam, um die pressverschlossene Einheit zu öffnen und zu prüfen. Ihr könnt euch vorstellen, mir wurde "Angst und bange".

Die Steuerungseinheit, die geöffnet und geprüft werden sollte.

Kaum war er mit dem Motorrad weg, bekamen Ousman und ich eine Matte unterm Baum ausgelegt, um uns zu entspannen.

Zwei Stunden später war er wieder zurück. Alaghie meinte, die Einheit hätte ein kleines Problem, das er „ausgelesen“ und behoben habe. Dann baute er das Schlamassel wieder zusammen. Bewundernswert. Er zog noch einige Kabel auseinander und … der Wagen sprang an. Ich jubelte, doch Alaghie sagte, das Problem sei noch nicht gelöst. Er zeigte mir im Motorraum, dass es durch den Masse-Kontakt einen Kabelbrand gegeben hatte. Und was dadurch kaputt ging, müsse er an seinem Workshop (das ist seine Werkstatt) prüfen.

Also verabschiedeten wir uns von unseren Helfern und fuhren mit dem Fahrzeug (ohne Ventilator) durch den Busch zu seinem Workshop.

Dort wurde wieder ausgebaut und überlegt …. Als Ergebnis kam heraus, die Steuereinheit, die den Ventilator je nach Temperatur ein- und ausschaltet, hatte den Schlag weg. So ein Teil kennt er nicht. Er kennt nur die „Fühler“, die am Ventilator direkt angebracht sind. Da war noch einer drin, den zeigte er mir und auch, wie der arbeitet. Wird das Wasser heiß, gibt es einen Kontakt und dann schaltet der Ventilator ein. Faszinierend. Do so was bekommt er nur in Brikama - etwa 70km von Bwiam entfernt. Da er wusste, dass wir am folgenden Tag im Senegal sein mussten, bot er folgendes an: Er fährt jetzt (es war bereits 18:15) nach Brikama, schläft dort (so wie er ist). Morgen früh holt er das Teil und kommt dann zur AbCa’s Lodge, dort wo Ousman und ich die Nacht verbringen wollten.

Wir fuhren zusammen (den Ventilator brauchten wir in der Abendwärme nicht) bis Killy. Er stieg aus. Von dort sollte er einen Platz im Gele-Gele, einem Buschtaxi finden um weiterzufahren. Wir bogen zur Lodge ab. Ich gab ihm 3.000 DAL (etwa 40 EUR) als Anzahlung.

Eine telefonische Kontaktaufnahme, um ihn zu fragen, ob er gut angekommen sei, war nicht mehr möglich. Sein Handy gab als Feedback „out of area“.

Am nächsten Morgen klingelte um 09:56 Uhr (weil der Akku seines Handys leer war) eine mir unbekannte Nummer, dass ich ihn an der Kreuzung in Killy abholen könne. Ich hatte das Auto bergabwärts geparkt für den Fall, es würde nicht anspringen. Aber der gute Bulli tat es sofort. Als ich Alaghie aufnahm, hatte er eine andere Kleidung an und löste das auf.

Gestern Abend stand noch gute vier Stunden an der Straße und wartete auf eine Mitfahrgelegenheit. Als dann gegenüber ein Buschtaxi anhielt entschloss er sich kurzer Hand, wieder nach Hause zu fahren. Am nächsten Morgen fuhr er um 05.00 Uhr mit den „Öffentlichen“ nach Brikama, kaufte das originalverpackte Teil. Dann ging alles sehr schnell. Er baute es ein, testete bei laufendem Motor, dass der Ventilator anspringt und auch wieder abschaltet.

Und um 11:24 Uhr fuhren wir ihn 10 Kilometer zur Polzeistation nach Sibanor. Dort würde die Chance, ein Buschtaxi für die Heimfahrt zu finden für ihn größer sein. Und das war sie auch.

Wir setzten unsere Reise in den Senegal fort und kamen auch wieder sicher nach Gambia zurück.

Und jetzt kommt das was eine Dienstleistung "krönt": Zwei Tage später rief er an um nachzufragen, ob unsere Reise ohne Probleme verlief, ob alles gut gegangen sei!

Und all das, inklusive Ersatzteile, Fahrtkosten, seine Entlohnung kostete uns umgerechnet 110 EUR.

Alaghie Jobe, Elektriker aus Bwiam, The Gambia

Auf meine Frage zwischendurch mal, ob er von Europa träumt? Antwort: Ja und Nein. Nein, da er hier seine Familie, seine Freunde, sein Einkommen hat. Ja, dass es schon auch schön wäre reisen zu können, um mehr zu lernen, um sein Wissen zu erweitern.

Reinhold Hartmann
Persönlicher Bericht 2024