
UBUNTU - Das Leben im WIR
Wenn wir das Wort UBUNTU hören, denken viele von uns an das Betriebssystem von Linux. Doch, dass sich dieses des Namens einer afrikanischen Philosophie bediente, ist wenig bekannt. „Ubuntu“ bedeutet in der südafrikanischen Zulu-Sprache soviel wie „Menschlichkeit“.
Ubuntu ist in Afrika weit verbreitet. In Ostafrika nennen sie es "Obuntu", in Westafrika "Maaya". Insgesamt gibt es südlich der Sahara in 15 Ländern 41 verschiedene Namen für die panafrikanische, emotional soziale Philosophie der Verbundenheit, deren Werte unter anderem Mitgefühl, Selbstlosigkeit, Nächstenliebe, Solidarität sind, und die der Sozialwissenschaftler und Philosophie Johan Broodryk aus Pretoria so erklärt: „Es ist eine kooperative, großzügige, spontane, freundliche, sorgende und teilende Grundhaltung. Man teilt eigentlich alles, selbst wenn man kaum was besitzt. Es ist ein kollektiver und kein individualistischer Ansatz….“
Der Geist des WIR ist quasi der Klebstoff, der die Gesellschaften Afrikas zusammenhält, in der viele Individuen wie eine Großfamilie miteinander sozial verbunden sind. Ubuntu ist ein Weltbild, das die Charakteristika afrikanischer Identität umfasst.
Kern von Ubuntu ist die Familie. Diese besteht jedoch nicht nur aus Eltern und Kindern. Familie ist ein größeres Gebilde zu dem die Großfamilie bis hin zum Urstamm gehört. Doch nicht nur das. Sehr schnell wird ein Fremder wenn er der Gemeinschaft hilft, das ist mir mehrfach passiert, als "Brother / Uncle / Dad" in einer Familie willkommen geheißen.
Die Familie ist eingebettet in die Gemeinschaft. Und in dieser ist das kollektive Miteinander der zentrale Wert.
Auch die Umwelt, das Spirituelle und das Menschliche werden zusammen als Einheit betrachtet, die nur im harmonischen Miteinander existieren kann. Alles ist miteinander verbunden.
Es ist quasi ein Lebensgefühl, nach dem es zu streben gilt. Wer Ubuntu hat, lebt verbunden mit anderen und hat sich damit selbst verwirklicht. Bekannten Größen wie Nelson Mandela, Mahatma Ghandi, Mutter Theresa oder Martin Luther King sagt man gelebtes Ubuntu nach, der Philosophie des WIR, einer besonderen Qualität an Menschlichkeit.
Ganz im Gegensatz zu unseren Philosophien, die das Individuum und seine Freiheit in den Mittelpunkt stellt und von Denkern wie Immanuel Kant entwickelt wurde, entstand Ubuntu durch gemeinschaftlich gelebte Werte in Tradition. Ubuntu wurde von niemandem erdacht, entwickelt oder gelehrt. Es entstand aus dem Leben heraus und ist weit über den Kontinent Afrikas hinweg auch in Ländern der Subsahara zu finden.
Ubuntu ist hochaktuell und könnte unserem Miteinander als Vorbild dienen. Damals zu Zeiten der Apartheid war man in Südafrika überzeugt, dass die Freiheit nur durch Ab- und Ausgrenzung funktioniert. Ohne diese würde die eigene Kultur verloren gehen. Eine Denkweise, die aktuell in Europa auflebt. Ubuntu geht vom Gegenteil aus. „Der Kontakt und die gegenseitige Abhängigkeit mit Anderen macht uns nur reicher. Nur durch die Teilhabe am Ganzen, kann ein Mensch über sich hinauswachsen. Und eine Kultur allein, kann die Fülle unserer Menschlichkeit gar nicht ausdrücken.
René Descartes, der französische Philosoph der Aufklärung sagte nüchtern: „Ich denke, also bin ich!“ Ein Afrikaner würde eher tanzend mit Freude sagen: „Ich fühle, also bin ich!“ oder im Sinne von Ubuntu: „Ich nehme teil, also bin ich“.
Ich bin, weil du bist, weil ihr seid!
Mit diesem Satz im Kopf mag man besser die afrikanische Lebensweise verstehen. Klopft man als Fremder - auch als Europäer - an eine Tür ist man spontan eingeladen.
Im Landesinneren steht in jedem Compound (so wird der Hof genannt) ein Tonbehälter mit Wasser. Jeder Reisende kann daraus, ohne zu fragen, schöpfen, wenn er durstig ist.
Trifft man auf eine Familie, eine Arbeiterschaft, die gerade in der Mittagspause um eine Schüssel Reis versammelt ist, wird man spontan aufgefordert, mitzuessen.
Hat man spät nachts eine Panne, wird einem ganz selbstverständlich ein Nachtlager angeboten.
Und wenn man plötzlich an seinem Gegenüber das eigene T-Shirt entdeckt, dann ist das nicht unverschämt, sondern entstammt dem Gedanken des Teilens: „Was mein ist ist dein und was dein ist ist mein.“ Das klingt fast schon wie der Genossenschaftsgedanke von Friedrich-Wilhelm Raiffeisen: „Einer für alle – Alle für einen!“
Doch leider, auch das gehört zur Wahrheit, und hier kann ich nur für Gambia und den Senegal sprechen, verkümmern diese Werte besonders in urbanen Gegenden mehr und mehr. Der westliche Überfluss, der durch die Medien in die Kultur einsickert, lässt Sehnsüchte, Neid, Missgunst, Begehrlichkeiten und Egoismen entstehen.
Reinhold Hartmann 2024
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